DER RAUM GEHÖRT UNS

von Cècile Wajsbrot

Übersetzung: Frank Weigand
Mit: Sandra Borgmann, Michael Rotschopf, Ulrike C. Tscharre,
Ulrich Matthes, Detlef Baltrock, Karim Cherif, Bettina Burchard,
Anne Schirmacher, Maria Hartmann, Alexander Radszun

Komposition: Burkhard Beins
Ton: Jean Szymczak

Regie: Anouschka Trocker
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2016
Länge: ca. 59'

Podcast - ganze Sendung

"Hörspiel des Monats"
Wenn Bronze und Marmor reden
Ein Mann und eine Frau aus Paris begegnen sich für Stunden auf der Museumsinsel in Berlin.

Wer in der Stadt lebt, trifft auf Figuren aus Stein oder Bronze, meistens ohne hinzusehen. Sie sind in Parkanlagen postiert, auf Marktplätzen, katholischen Kirchendächern und in Museen. Dann allerdings betrachtet man sie, staunend über ihre Schönheit oder die uralte archaische Wucht. Oft haben sie Jahrtausende überstanden, Kriege, Katastrophen und Sockelstürze, wenn die neuen Machthaber und Götter an die alten nicht erinnert werden wollten. Statuen, die nicht reden können. Doch in diesem Hörspiel tun sie es im Chor. Cècile Wajsbrot, 1954 in Paris geboren, jetzt dort und in Berlin als Schriftstellerin und Übersetzerin lebend, hat "Der Raum gehört uns" geschrieben. Vor Tagen wurde es von Deutschlandradio Kultur produziert.
Zwei Menschen aus Paris flüchten für ein verlängertes Wochenende nach Berlin, jeder für sich. Die Ehefrau will versuchen, sich von ihrem Mann, dem Maler, zu lösen, und der Dozent für Kunstgeschichte wartet seit vier Wochen vergeblich auf einen Anruf der Buchhalterin, die er liebt. Die zwei Kurzurlauber begegnen sich auf der Museumsinsel, die beiden anderen im Jardin de Tuileries in Paris. Zufall oder Fügung? Die Autorin lässt es offen und erzählt in lebensnahen Dialogen von Annäherungen, Selbstzweifeln, zögernden Bekenntnissen und der Suche nach dem weiteren Lebensweg. Über alldem stehen die Statuen auf ihren Sockeln und sprechen gemeinsam von der menschlichen Welt seit den Sumerern und Babyloniern. Für eine gewisse Weile werden wohl der behauene Stein und die gegossene Bronze jene herausgehobene Art der Primaten überdauern, falls die weiterhin ihre Milliarden von Einzelwesen nicht begrenzen kann. Doch vor den Podesten und malerischen Durchblicken entspinnt sich eine berührende zarte Geschichte zwischen vier Menschen, die an dem Wochenende nicht aufgelöst wird. Was zurzeit alles dröhnt und schreit, bleibt bewusst draußen, aber nicht aus der Welt. Der Chor lässt es nicht zu und spricht auch davon, dass ohne Kunst und Kultur nichts davon bleiben würde, was war.
Die ästhetische Pause des Durchatmens ist schön. Zumal Sandra Borgmann, Michael Rotschopf, Ulrike C. Tscharre und Ulrich Matthes behutsam mit ihren Figuren umgehen, von Anouschka Trocker, der Regisseurin, sensibel geführt. Die Komposition von Burkhard Beins trägt ebenso zum Schweben des Ganzen bei wie der hochwertige Ton (Technik: Jean Szymczak und Christian Bader). Die sechs Stimmen des faszinierenden Chores können hier leider nicht genannt werden.

- Sächsische Zeitung -